Rütteln an den Grundfesten des humanitären Flüchtlingsrechts

Landessuperintendent Arends kritisiert europäische Asyleinigung

Detmold. Der Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche Dietmar Arends kritisiert die Einigung der EU-Innenministerinnen und -minister zum geplanten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) scharf. Wenn das umgesetzt würde, was am 8. Juni in Brüssel vereinbart worden sei, wären große gefängnisartige Lager und rechtsstaatlich fragwürdige Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen die Folge, sowie die vermehrte Möglichkeit von Abschiebungen in Drittstaaten, die zum Beispiel nicht die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben.

„Die jetzt geplanten Regelungen rütteln an den Grundfesten eines humanitär ausgerichteten Flüchtlingsrechts, das Europa gerne für sich in Anspruch nimmt“, so Arends. „Dass andererseits die europäischen Staaten noch immer keine Seenotrettung im Mittelmeer übernehmen, sondern die zivilgesellschaftlich organisierte zum Teil behindern, ist umso erschütternder.“ Erst kürzlich waren beim Untergang eines Flüchtlingsbootes vor Griechenland wahrscheinlich über 500 Menschen ertrunken. Die Lippische Landeskirche ist Mitglied im Bündnis United4Rescue, das die zivile Seenotrettung im Mittelmeer unterstützt.

Landessuperintendent Arends äußert sich auch im Zusammenhang mit den „Zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die zum diesjährigen Weltflüchtlingstages am 20 Juni überarbeitet und neu veröffentlicht worden sind. Die Landeskirche hat sie kürzlich an ihre Gemeinden weitergeleitet.

Arends weist besonders auf die erste „Überzeugung“ hin, die betont, dass alle Menschen nach Gottes Bild geschaffen seien. Dort heißt es: “Weil die Würde von Menschen unverhandelbar ist, muss das individuelle Recht auf internationalen Schutz garantiert sein und der Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewährt werden.“ Arends befürchtet, dass genau dies durch die geplanten Regelungen für viele in Europa ankommenden Flüchtende ausgehebelt werde.

Die Lippische Landeskirche hatte bereits Mitte Mai in einem Appell zusammen mit über 60 Organisationen u.a. aus dem kirchlichen Bereich vor einer Unterstützung der damals schon vorliegenden Pläne zum europäischen Asylsystem durch die Bundesregierung gewarnt.

Jetzt müssen nach Ansicht von Dieter Bökemeier, Pfarrer für Diakonie, Ökumene und Migration der Lippischen Landeskirche bei den kommenden Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission, dem Rat der EU und dem Europaparlament („Trilog“) wenigstens die schlimmsten Regelungen verhindert werden, etwa die Inhaftierung von Familien mit Kindern. „Es bleibt aber aus Menschenrechtssicht ein historischer Fehler, dass Grenzlager, Schnellverfahren und die leichtere Abweisung von Asylanträgen wegen Einreise über ein vermeintlich sicheres Drittland auch mit Zustimmung der Bundesregierung aufs Gleis gesetzt wurden.

In seinem Begleitschreiben an die Kirchengemeinden der Lippischen Landeskirche zu den „Zehn Überzeugungen“ der EKD dankt Landessuperintendent Dietmar Arends für den Einsatz der Gemeinden für Geflüchtete. „Bitte lassen Sie gerade in diesen Zeiten nicht nach in der engagierten Begleitung des Ankommens Geflüchteter in Lippe, beim Einsatz für ihre Rechte, bei Kirchenasylen oder bei der Unterstützung humanitärer Initiativen an den Außengrenzen“, so Arends.

Der Text der „Zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration“ ist online abrufbar unter www.ekd.de/flucht-integration .

30.06.2023