Vortrag im Landeskirchenamt. Mit Frank Gockel (Flüchtlingshilfe Lippe), den Autoren Sebastian Rose und Sacha Schießl sowie Dieter Bökemeier (Lippische Landeskirche) (von links).

Abschiebungen treffen Arbeitnehmer, Familien, Erkrankte

Ein neues Buch wirft ein Schlaglicht auf die tatsächliche Abschiebepolitik

Kreis Lippe/Detmold. „Die Erhöhung der Abschiebequote trifft nicht islamistische Gefährder, die bewusst unauffällig leben.“ Dieses Fazit ziehen Sebastian Rose und Sascha Schießl, Autoren des Buches „Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen.

Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände". Auf Einladung der Flüchtlingshilfe Lippe e.V. und der Lippischen Landeskirche haben sie das im Mai dieses Jahres erschienene Buch in Detmold vorgestellt. Während in der politischen Diskussion oft suggeriert werde, es würden vorwiegend „Straftäter“ oder „Gefährder“ abgeschoben, treffe Abschiebungen vor allem Menschen in Arbeit und Ausbildung, Pflegekräfte, Familien mit Kindern, Angehörige von Minderheiten, Menschen mit psychischen oder körperlichen Erkrankungen, Schwangere und Rentner. Abgeschoben würden auch Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Im Jahr 2023 wurden bundesweit 16.430 Personen abgeschoben. Rund 15 Prozent waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und 3.663 Menschen kamen aus NRW.

„Der Anschlag von Solingen hat die Debatte über Migrationspolitik und Abschiebungen befeuert. Reflexartig werden populistische Forderungen nach mehr Abschiebungen laut, die vom rechten Diskurs bestimmt werden und bis in die 70er Jahre mit den immer gleichen Argumenten zurückreichen“, erklärte Sascha Schießl. Die Forderung, alle Schutzsuchenden aus bestimmten Ländern auszuschließen, sei weder verfassungskonform noch mit europäischem Recht zu vereinbaren.

Auf 234 Seiten benennen die Autoren die behördlichen Akteure, beleuchten, wie und wer in NRW abgeschoben wird und bringen mit Informationen und Fakten Licht ins Dunkel der Abschiebepraxis. In den vergangenen Jahren sei ein breiter Behördenapparat aus Zentralen Ausländerbehörden und Regionalen Rückkehrkoordinationsstellen entstanden, für die das Land NRW viel Geld ausgebe. Das Buch zeigt, dass der politisch gewollte hohe Abschiebedruck und Gesetzesverschärfungen zu teils rechtswidrigen Abschiebungen führen.

„Das Buch stellt die Menschen mit ihren individuellen Geschichten in den Mittelpunkt“, betonte Rose. Unter anderem dokumentiere es rund 110 Fälle von drohenden, versuchten und vollzogenen Abschiebungen, die ein System offenbarten, das Menschen über Jahre in Angst halte sowie immer wieder mit Willkür und Gewalt arbeite und geltendes Recht übertrete.

Herausgeber sind das Abschiebungsreporting NRW und das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. Abschiebungsreporting NRW wird mit Mitteln der Evangelischen Landeskirchen in NRW sowie der Diakonie RWL gefördert und ist beim Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. angesiedelt. Die Publikation ist frei als PDF zugänglich unter www.abschiebungsreporting.de.