
Erbhexerei und Selbstbezichtigung
Dr. Sarah Masiak sprach in Detmold über die Fürstenberger Teufelskinder – Hexenverfolgung im Hochstift Paderborn
Die Historikerin und Leiterin des Kreisarchivs Lippe sprach auf Einladung des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe (NHV), des Arbeitskreises Hexenverfolgung und der Ev. Erwachsenenbildung. Roland Linde (NHV) und Martin Hankemeier (Arbeitskreis Hexenverfolgung) konnten 30 Gäste begrüßen.
Sarah Masiak schrieb ihre preisgekrönte Dissertation über das Thema „Teufelskinder, Hexenverfolgung und gesellschaftliche Stigmatisierung im Hochstift Paderborn (1601-1703)“ an der Universität Paderborn.
Fälle von Selbstdenunziationen angeblicher Hexen und Hexer sind auch für den lippischen Raum bekannt und stellen Historiker vor Rätsel. Wie sind diese Selbstbeschuldigungen einzuordnen? Waren sie bloße Fantasiegebilde, unter der Folter erzwungen, oder handelte es sich um Aussagen psychisch Kranker?
Die Fürstenberger Teufelskinder
Befunde aus dem Hochstift Paderborn zur Verfolgung der sogenannten Fürstenberger Teufelskinder ermöglichen eine weitere Interpretationsmöglichkeit. Sarah Masiak erläuterte, dass die Bezeichnung „Teufelskinder“ für Erwachsene wie Kinder verwendet wurde. So bekannte sich um 1700 Margaretha Stroeth im Dorf Fürstenberg freimütig als Hexe. Ohne Folter gestand sie im Prozess, dass sie der Teufel seit 30 Jahren beherrsche. Sie bat selbst, vom Teufel durch Enthauptung und Verbrennung befreit zu werden. Derartige Selbstbezichtigungen seien keine Seltenheit gewesen, so Masiak weiter. Die These des mittelbaren Suizids besage, dass Frauen mit Selbstmordabsichten sich selbst der Hexerei bezichtigten, um sich nicht der Sünde des Selbstmordes schuldig zu machen.
Verdacht der Erbhexerei
Die Selbstbezichtigung bei Kindern sei ein regelmäßig auftretendes Phänomen. Folter verursache nicht nur physische Schmerzen, sondern bewirkte auch eine psychische Zermürbung. Psychische Verwirrungen und der Wunsch von Folterqualen erlöst zu werden, führten oft zu Geständnissen.
Hexengenealogien belegten, dass sich der Vorwurf der Hexerei von Eltern auf Kinder übertrug. Man unterstellte, die Eltern hätten ihre Kinder dem Teufel geweiht und das Böse übertrage sich wie eine Erbkrankheit.
Neun Familien in Fürstenberg standen über fünf Generationen immer wieder unter dem Verdacht der „Erbhexerei“, berichtet Dr. Masiak. In fünf Hexenprozesswellen tauchten immer wieder die gleichen Familiennamen auf, die durchaus zur Mittel- und Oberschicht gehörten. Ihre gesellschaftliche Position schützte sie jedoch keineswegs vor Verfolgungen. Margaretha Stroeth zählte auch zu den sogenannten „Erbhexen“.
Die Hirnforschung belege, dass soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung über Generationen neurologische Gehirnveränderungen bewirken. Dadurch werde der vermeintliche Abweichler, dessen Identität im Kern erschüttert wurde, zum echten Abweichler. Nach dem Historiker Wolfgang Behringer sei auch die heutige Gesellschaft anfällig für den Wahn, Menschen zu stigmatisieren und Schuld zu personalisieren.