Aufarbeitung und Prävention
Landessuperintendent Dietmar Arends berichtet der Synode über den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Landeskirche
Kreis Lippe/Lemgo. „Wir ziehen Konsequenzen aus der Forum Studie wo immer möglich“ – Landessuperintendent Dietmar Arends hat vor der Lippischen Landessynode über Aufarbeitung, Intervention und Prävention in der Lippischen Landeskirche berichtet.
So sei das Thema Prävention selbstverständlicher Teil von Ausbildung geworden, die Landeskirche praktiziere das Recht auf Aufarbeitung und alle Personalakten von Pfarrerinnen und Pfarrern ab 1946 seien inzwischen gesichtet. „Die Mitarbeitenden im Archiv sind in hoher Weise sensibilisiert für das Thema und melden jeden möglichen Verdachtsfall aus den Aktenbeständen bei der Stabsstelle,“ so Arends. „Dadurch wurden wir auf zwei Fallkonstellationen sexualisierter Gewalt aufmerksam, die sich vor rund hundert Jahren in unserer Kirche an unterschiedlichen Orten und durch unterschiedliche Beschuldigte zugetragen haben, wovon eine bereits veröffentlich wurde.“
Auch wenn es sich um Taten handele, die lange zurückliegen und keine Betroffenen mehr leben, „gehören diese Taten zur Geschichte unserer Kirche und auch zur Geschichte einzelner unserer Gemeinden. Deshalb sollten auch sie aufgearbeitet und an das Leid Betroffener erinnert werden.“
Auffällig sei dabei, wie Mechanismen zur Vertuschung sexualisierter Gewalt, die die ForuM-Studie anprangere, schon vor hundert Jahren Anwendung fanden.
Weitere Betroffene
Daneben gibt es Meldungen von weiteren Betroffenen, die durch Veröffentlichungen und Aufrufe in der Presse aufmerksam auf die Aufarbeitung durch die Landeskirche geworden sind, wie Arends der Synode berichtet.
Es handele sich zum einen um betroffene Personen in bereits veröffentlichten Fallkonstellationen aus der Vergangenheit der Lippischen Landeskirche. Zum anderen seien auch Meldungen zu länger zurückliegenden, noch nicht bekannten Fallkonstellationen eingegangen: „Das Interventionsteam der Landeskirche prüft jeweils in Absprache mit den Betroffenen, welche Maßnahmen einzuleiten sind. Eine anonyme Meldung konnte in Absprache mit der Polizei geklärt werden.“
Außerdem gebe es mittlerweile durch die Bekanntmachungen, die Aufarbeitung und Präventionsmaßnahmen eine zunehmende Sensibilisierung, so dass auch aktuelle Meldungen die Landeskirche erreichen. Diese betreffen Grenzverletzungen im Umgang in der täglichen Arbeit, so der Landessuperintendent: „Wir sind sehr dankbar für diese Sensibilisierung. Nur durch konsequentes Handeln und Aufarbeiten können wir in unserer Kirche sichere Orte schaffen.“
Aufarbeitung
Zum Thema Aufarbeitung hatte ein von der Landeskirche beauftragtes extern besetztes Gremium im vergangenen Herbst sowohl eine externe Aufarbeitungsstudie als auch die interne Aufarbeitung angeregt.
Als ein weiterer wichtiger Baustein in der Aufarbeitung komme jetzt die Regionale Aufarbeitungskommission hinzu: „Diese Kommissionen werden im Bereich aller EKD Gliedkirchen und der Diakonischen Werke eingerichtet; so wurde es mit der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vereinbart. Unsere gemeinsame Kommission in Nordrhein-Westfalen nimmt gerade ihre Arbeit auf.“
Dietmar Arends: „Wir haben uns entschieden, zunächst die interne Aufarbeitung intensiv voranzutreiben, gleichzeitig auf die Anforderungen der Regionalen Aufarbeitungskommission zu warten, um dann zu klären, welche Fragen noch durch eine externe Studie zu klären sind.“ Diese Vorgehensweise sei mit Betroffenen abgestimmt. Auch die weitere interne Aufarbeitung werde gemeinsam mit Betroffenen vorangetrieben und zudem durch eine Fachperson außerhalb von Kirche begleitet. Der Prozess beginne Anfang Juli.
Prävention
Präventionsmaßnahmen werden weiter konsequent umgesetzt, berichtet Dietmar Arends: „Es wurden bisher 118 Basisschulungen sowie 18 Aufbauschulungen nach „hinschauen-helfen-handeln“ angeboten. Eine große Mehrheit der Kirchengemeinden habe inzwischen ein Schutzkonzept vorgelegt.
EKD-Ebene
Auf der Ebene der EKD sei die Umsetzung von Konsequenzen aus der ForuM-Studie inzwischen weiter vorangeschritten. „Im März hat die EKD eine Anerkennungsrichtlinie beschlossen, die zu gleichen Anerkennungsleistungen in den Kirchen und Diakonischen Einrichtungen im Bereich der EKD führen soll.“ Neben der Anerkennungsrichtlinie gebe es 12 Maßnahmenpakete. Herzstück sei die Überarbeitung der Gewaltschutzrichtlinie. Weitere Maßnahmen seien zum Beispiel die Einrichtung einer zentralen Ombudsstelle, Verankerung des Rechts auf Aufarbeitung, Verankerung des Themas sexualisierte Gewalt in der Ausbildung zu kirchlichen Berufen oder auch die Vereinheitlichung der Überprüfung von Akten.
Weitere Infos zur Lippischen Landeskirche:
Rund 129.000 Gemeindeglieder
65 reformierte und lutherische Gemeinden (54 ref., 10 luth., 1 ev.*)
4 reformierte und 1 lutherische Klasse
57 Synodale
Weitere Infos u.a. zu Struktur und Finanzen:
www.lippische-landeskirche.de/transparenz
* Lockhausen-Ahmsen ist eine evangelische Kirchengemeinde mit Mitgliedschaft in der reformierten Klasse West und in der Lutherischen Klasse.
Die Verhandlungen der Lippischen Landessynode am 27. und 28. Juni können über www.lippische-landeskirche.de mitverfolgt werden.