Die Bibel ist kein statisches Gesetzbuch
Religionslehrertag in Eben-Ezer regt zum Nachdenken an
Rund 60 Lehrerinnen und Lehrer aus verschiedenen Schulformen kamen zusammen, um sich mit der Relevanz biblischer Texte in einer pluralen Gesellschaft auseinanderzusetzen. Schulreferent Andreas Mattke begrüßte die Teilnehmenden und eröffnete den Tag mit einem geistlichen Impuls, Olaf Brodziak von der Schulaufsicht sprach ein Grußwort.
Im Mittelpunkt stand der Vortrag von Prof. Dr. Thorsten Dietz, Theologe mit Schwerpunkt Systematische Theologie und derzeit tätig im Bereich „Fokus Theologie“ der Reformierten Kirche des Kantons Zürich. Dietz eröffnete neue Perspektiven auf die Bibel und stellte einen Zugang vor, der die Heilige Schrift als „Dialograum“ versteht – eine Sammlung vielfältiger Stimmen, Erfahrungen und Entwicklungen. Die Bibel als Gesprächspartnerin zu begreifen, die Widersprüche zulässt und Lernprozesse dokumentiert, eröffnet neue theologische und didaktische Wege. Dietz zeigte, dass die Sehnsucht nach starker Führung, klaren Grenzen und einfachen Antworten heute wieder wachse – in Politik, Gesellschaft und auch in religiösen Strömungen. Wer die Bibel ernst nehme, müsse ihre innere Entwicklung erkennen: Während in Exodus 21 Sklaverei als selbstverständlich erscheint, fordert Deuteronomium 15 bereits Freilassung und Entschädigung auch für weibliche Sklaven. „Die Bibel ist kein statisches Gesetzbuch, sondern eine lebendige Sammlung von Lerngeschichten“, betonte Dietz. „Wer sie gründlich liest, entdeckt eine Bewegung hin zu mehr Gerechtigkeit und Freiheit – Impulse, die bis heute aktuell sind.“ Neben dem Vortrag boten Workshops Gelegenheit, den theologischen Dialog praktisch umzusetzen. Dr. Manfred Karsch zeigte, wie Jugendliche über Mutproben und digitale „Challenges“ ins Gespräch kommen können. Sabine Grünschläger-Brenneke (Pädagogisches Institut der EKvW) erschloss die Geschichte vom verlorenen Schaf mit kreativen und digitalen Methoden. Einen symbolorientierten Zugang präsentierte Christian Rasch (Kirchenkreis Herford) mit Lernstationen zum Thema Wasser, die Bibeltext, Symbolgehalt und Lebenswirklichkeit verbinden. Pfarrerin Dagmar Kübler thematisierte das Gottesbild im Zeitalter künstlicher Intelligenz und ließ die Teilnehmenden KI-generierte Gottesvorstellungen entwickeln und reflektieren. Dr. Oliver Arnhold (Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung) machte deutlich, wie religiöse Bildung Demokratie, Solidarität und Menschenwürde fördern kann – gerade angesichts von Populismus und Fake News. Günter Puzberg zeigte Wege auf, wie Lehrkräfte das Thema Schöpfung zwischen Glauben und Naturwissenschaft didaktisch verantwortungsvoll gestalten können – mit Mut, Fachkenntnis und einem offenen Blick auf die biblische Vielfalt.
Der Fachtag verband theologische Tiefe mit pädagogischer Praxis. Die Teilnehmenden gingen mit neuen Impulsen, Materialien und Denkanstößen zurück in ihren Unterricht – und mit der ermutigenden Erkenntnis: Die Bibel ist keine Sammlung fertiger Antworten, sondern eine Einladung zum lebendigen Gespräch – damals wie heute.
